Therapeutisches Reiten

 
 

 

Unter folgenden Link findet Ihr ein Interview mit Vera Jaron über unser therapeutisches Reiten:

 

http://www.emsvechtewelle.de/podcasts/talk-therapeutisches-reiten-fuer-menschen-mit-handicap-29557.html

 

 

Neuen Lebensmut auf Pferden tanken

 

Hoffen auf die heilsame Wirkung des Reitens:

Andreas und sein Vater Heinrich Bült

 

Twist. Bei den Reiterfreunden Twist gibt es seit 1988 ein kostenloses Angebot für Menschen mit Behinderung: Ein Mal in der Woche können sie auf speziell geschulten Pferden reiten und so ihre Spastik, Rumpfkontrolle, Koordination und Sozialkompetenz verbessern.

 

"Viele gewinnen ein Stück Lebensqualität zurück", weiß Medizinerin Vera Jaron, die die Gruppe seit 28 Jahren ehrenamtlich betreut. "Wir wissen nicht, wie genau es hilft, aber irgendetwas bewirkt das Reiten und darum kommen wir seit ein paar Jahren her", sagt Heinrich (57) Bült aus Twist, der mit seinem Sohn Andreas (12) am Rand der Bahn steht. Es ist nur das kleine Wort "steht", dennoch bedeutet es sehr viel für die beiden. "Vor sechs Jahren hatte Andreas einen Hirntumor, seitdem sitzt er eigentlich im Rollstuhl. Vorher konnte er laufen", erklärt der 57-Jährige. Wenn er seinen Sohn vor sich stellt, ihn stützt und an den Armen festhält, kann Andreas einige Schritte gehen. Vor zwei Jahren passierte es zum ersten Mal. "Mit der Zeit kommen kleine Fortschritte. Die Stabilität in der Hüfte fehlt, sein rechtes Auge ist kaputt und muss alle zwei Stunden eingecremt werden. Aber er bekommt alle Hilfe, die wir ihm bieten können. Abends beten wir, dass er irgendwann wieder laufen kann." Während sein Papa erzählt, schaut sich Andreas in der Halle um und entdeckt Vera Jaron. Zu Andreas hat sie eine besondere Beziehung: "Monatelang haben wir hinter ihm gesessen, weil er sich nicht halten konnte. Und jetzt muss sein Papa ihn nur ein bisschen stützen, kurze Strecken sind kein Problem mehr. Wenn ich ihn jetzt sehe, bin ich unglaublich stolz."

 

Es sei nicht nur das Reiten, das den Patienten helfe. "Der Umgang mit den Pferden öffnet Türen, die bisher verschlossen blieben". Jaron berichtet von Veronika, einer passionierten Reiterin, die von einer Kutsche fiel und ein schweres Schädelhirntrauma erlitt. "Sie kann sich im Alltag nicht helfen, aber sobald sie den Geruch von Pferden in der Nase hat, lächelt sie und reitet, setzt alle Kommandos um, kann schwierige Anweisungen befolgen", so Jaron. "Seitdem sie bei uns ist, lässt sie sich auf andere Therapieinhalte ein, geht auf andere zu, ihre früher so hohe Sozialkompetenz flackert wieder auf". Auch taktile Reize seien ein wichtiger Therapieinhalt. Heißt: Das Berühren und der Umgang mit den Tieren. 

 

Selbst für Menschen, die keine Behinderung haben, ist der Umgang mit Pferden eine Art Therapie. An der Longe seht Anne Lotz (23) aus Emlichheim, sie ist eine der freiwilligen Helferinnen. Vor einigen Jahren starb ihr Pferd , dass sie schon als Kleinkind hatte. "Es war so komisch ohne Pferd, irgendetwas fehlte. Der Vater von Marlon ist mein Arbeitskollege und er erzählte mir, dass sein Sohn hier reitet. Ich habe es mir angeschaut und es tat so gut". Sie ist geblieben. Der Vater von Marlon (12) ist an diesem Tag nicht in der Reithalle, aber seine Mutter Jutta Pötter (37). Während er auf Therapiepferd Freddy sitzt, macht er viele Witze, unterhält die ganze Halle. "So, ich zeige euch jetzt, wie man galoppiert, aber nicht, wie man herunterfällt", sagt er und galoppiert an. Marlon hat das hypoplastische Linksherzsyndrom und viele Monate im Krankenhaus verbracht. Seit neun Jahren reitet er und seine Mutter sieht darin viele Vorteile: "Er ist ausgelassener, die Pferde sind sein Ein und Alles. Seine Beinmuskulatur wird stärker, er kann jetzt sogar Fahrrad fahren", erzählt sie begeistert. Alle in der Halle wissen, dass sie keine Wunder vollbringen können. Jaron: "Aber wir können kleine Hilfen geben, die zu einem vermeintlichen Wunder führen. Und allein, dass Andreas wieder ein bisschen laufen kann, ist unglaublich schön."

 

 

Einsatz der tiergeschützten Therapie bei Menschen nach schweren Schädel-Hirntraumen

am Beispiel der ehrenamtlichen Arbeit der Reiterfreunde Twist und Umgebung e.V.

gefördert durch ZNS-Hannelore Kohl Stiftung

 

Bei den Reiterfreunden Twist gibt es seit 1988 ein kostenloses Angebot für Menschen mit Behinderung, insbesondere für Schädel-Hirnverletzte, einmal wöchentlich auf speziell geschulten Pferden zu reiten. Die Pferde werden aus Spendenmitteln finanziert und müssen langsam an ihre neue Aufgabe herangeführt werden. Letzteres erfordert Zeit und Geduld.

Gerade junge Pferde haben zunächst Schwierigkeiten sich an den instabilen Sitz und auch das "Kneifen" der Beine der Reiter durch die oft vorhandene Spastik zu gewöhnen.

Es ist daher erforderlich, besonders nervenstarke und gutmütige Pferde einzusetzen, um Unfälle zu vermeiden. Weiterhin müssen sie einen gleichmäßigen Bewegungsablauf mitbringen, um dem Reiter ein gewisses Taktgefühl zu vermitteln. Allein n diesen Auswahlkriterien sieht man, dass fertig ausgebildete Pferde praktisch nicht zu haben, oder unbezahlbar sind.

 

ZNS- Hannelore Kohl Stiftung hatte bereits 2003 ein Therapiepferd finanziert, das damals bereit ausgebildet war und das wir aus einem Stall übernehmen konnten, der sein Angebot aus logistischen Gründen nicht fortführen konnte. "Halina" ist inzwischen in die Jahre gekommen und kann nur noch bedingt eingesetzt werden, nachdem sie nach einer Verletzung den Winter auf der Weide und in einem Offenstall verbracht hatte. Durch eine erneute Förderung der ZNS- Hannelore Kohl Stiftung konnten wir im Dezember den 5-jährigen Tinker Wallach "Buck" und den dringend benötigten neuen Therapiegurt erwerben. "Buck" erweist sich als absoluter Glücksgriff und leistet bereits jetzt hervorragende Arbeit, so dass wie ihn bereits für leichte Rollstuhlfahrer einsetzen können. Unser einziges Problem ist, dass er Weidezäune nicht wichtig findet und ab und zu im Dorf spazieren geht.

 

Es ist bereits seit längerem bekannt, dass die Reittherapie sich bei Menschen nach Schädel-Hirntraumen positiv auf die Spastik, Rumpfkontrollen und Koordination auswirkt. Hierzu gibt es diverse Veröffentlichungen, die sich nicht nur auf Traumafolgen, sondern auch auf entzündliche und ischämische Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems stützen.

Anhand von einem Fallbeispiel soll jetzt aufgezeigt werden, dass es aber nicht allein die physischen Verbesserungen für Menschen nach schweren Schädel-Hirntraumen (SHT) sind, die das Reiten zu einem so effektiven Baustein in der Rehabilitation machen, sondern dass der Umgang mit Pferden auch Türen öffnet, die unter "konventioneller" Therapie lange verschlossen blieben.

 

Die passionierte Reiterin Veronika erlitt 2013 bei einem Sturz von einer Pferdekutsche ein schweres SHT, bei dem ein ausgeprägter Frontalhirnschaden im Vordergrund steht, so dass auch einfache Handlungsabläufe sie vor große Probleme stellen. In der Rehabilitation war sie sehr schwierig und kaum zu einer Mitarbeit zu motivieren. Auch der Versuch, sie wieder ins häusliche Umfeld zu integrieren, scheiterte und führte zu einer exzessiven Belastung des Ehemanns, die in einem Burnout gipfelte. Seit April 2015 wird sie in der Phase-F-Einrichtung für Schädel-Hirnverletzte Haus Soteria in Emlichheim betreut. Im Tagesablauf war sie nicht in der Lage, einfache Tätigkeiten, wie Körperpflege allein zu bewältigen. Sowohl während der hochfrequent durchgeführten Physiotherapie und Ergotherapie als auch den restlichen Tag über beschränkte sich ihre Aktivität auf Rauchen und "Nein sagen". Sie war kaum zu irgendeiner Kooperation bereit, bis die Mitarbeiterinnen der sozialen Betreuung sie einluden, mit nach Twist zum Reiten zu fahren. Auch hier zeigte sie zunächst sehr zurückhaltend, entwickelte aber direkt einen Kontakt zu den Pferden und wir sahen sie zum ersten Mal lachen. Zu unser aller Erstaunen stieg sie aufs Pferd und setzte jedes Kommando, auch schwierigere Anforderungen problemlos um. Sie ist in der Lage ihr Pferd zu putzen, zu satteln und auch zu longieren. Seit dieser Zeit kann sie sich auch auf andere Therapieinhalte einlassen und geht auf andere Bewohner zu. Ihre früher hohe Sozialkompetenz flackert langsam wieder auf.

 

So machen wir, die ehrenamtlich dieses Angebot begleiten, auch nach mittlerweile 28 Jahren immer neue positive Erfahrungen und sind froh darüber, dass wir nicht zuletzt durch die großzügige Unterstützung von ZNS-Hannelore Kohl Stiftung vielen Menschen nach Schädel-Hirntraumen nicht nur physisch sondern auch psychisch zu neuer Lebensqualität verhelfen können.

Wir halten den Aspekt der Motivationsförderung und positiven Verstärkung durch den Umgang mit dem Pferd für außerordentlich wichtig. Schon allein das Füttern der Pferde, für Betroffene, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht auf dem Pferd sitzen können, bringt ihnen Lebensfreude.

 

Unser und auch der Dank des Evangelischen Krankenhausvereins Emlichheim Haus Soteria gilt der Stiftung, ohne die es schwer wäre, das Reiten für Menschen mit Schädel-Hirntraumen dauerhaft kostenlos anzubieten. Die Förderung bestärkt uns darin, dass wir einen richtigen Weg beschreiten, für den sich die vielen Stunden, die wir mit Pferden und Reitern in der Reithalle verbringen, lohnen. 

 

 

 

 Stille Helden aus dem Emsland

Vera Jaron gewinnt den ersten Preis beim Ehrenamtspreis

 

Die 10 Gewinner des RWE-Ehrenamtspreises.

Vera Jaron (5 v.l.) gewinnt den ersten Preis.

 

Meppen. Der dritte Ehrenamtspreis der Meppener Tagespost und RWE Deutschland AG geht an eine Frau: Vera Jaron engagiert sich seit 27 Jahren bei den Reiterfreunden Twist und durfte die Auszeichnung im Hotel Pöker entgegennehmen.

 

1539 Emsländer stimmten für die zehn Nominierten und ihre Vereine ab, allein 316 für die Pferdeliebhaberin. Über den zweiten Preis freute sich Johannes Tieben, Klaus Raue belegte Rang drei.

  

 

 Vera Jaron hilft der therapeutischen Reitgruppe in Twist

 

Dr. Vera Jaron (r.) unterstützt Hannes, einem Teilnehmer beim

therapeutischen Reiten in Twist, auf dem Pferd zu sitzen.

 

Twist. Die Medizinerin Dr. Vera Jaron engagiert sich seit einigen Jahren für die therapeutische Reitgruppe in Twist. "Wir können die Leute aus einem Loch holen", sagt die Twisterin.

 

Ganz vorsichtig zeiht Hannes seine Beine nach hinten, richtet sich langsam auf. "Komm schon, du kannst das", muntert ihn Dr. Vera Jaron auf und stützt dabei seine linke Hand. Nach ein paar Sekunden kniet er auf Stute Halina - und ist stolz wie Oskar!

 

Schon lange ist bekannt, dass es zwischen Pferd und Mensch besondere Beziehungen gibt: Die Tiere können Menschen mit Handicap helfen, ihren eigenen Körper besser zu spüren und die Sinne zu schärfen. Aber die Vierbeiner können ihre Reiter nicht festhalten oder den Rollstuhl in die Halle schieben. Müssen sie auch nicht, denn dafür gibt Dr. Vera Jaron, Vereinsärztin und Betreuerin von der therapeutischen Reitgruppe in Twist.

 

Seit 27 Jahren gibt es das Gesundheits- und Freizeitangebot, das von den Reiterfreunden Twist und der Kolpingfamilie unterstützt bzw. gefördert wird. Keiner der Teilnehmer muss etwas zahlen, was Jaron sehr wichtig ist: "Ich will hier keinen Kommerz haben. Wir setzen und ehrenamtlich für die ein, für die wir angetreten sind", sagt die Medizinerin. Jeden Mittwoch stehen hier drei Therapiepferde Halina, Bumblebee und Freddy mit vielen Ehrenamtlichen bereit, um Menschen mit Multipler Sklerose, dem Down-Syndrom, autistischen Erkrankungen oder Gehbehinderten schöne Stunden zu bescheren. Herzlich willkommen sind aber auch die anderen Familienmitglieder: "Oft fühlen sich zum Beispiel die Geschwister von Gehandicapten vernachlässigt, aber sie sollen gerne mitkommen. Wir finden hier für jeden Arbeit", sagt die 62-Jährige und grinst.

 

Es gibt eine Rampe, von der Rollstuhlfahrer aufsteigen können. Denn die Ärztin betreut auch das "Haus Soteria" in Emlichheim. "Die Patienten kommen dann extra mit dem Bulli nach Twist, in dem auch die Rollstühle Platz finden." In der Reithalle sind mehrere Personen, die schützend nebenher laufen und immer wieder aufmunternde Worte sprechen. Hannes braucht die eigentlich gar nicht. Er ist seit Jahren dabei und weiß, was er kann. "Es ist Wahnsinn, was hier manchmal passiert. Manche haben noch nie ein Wort gesprochen und dann sitzen sie auf dem Pferd und reden." Solche Momente sind es auch, die Dr. Jaron zum Weitermachen bewegen: "Das Ergeifendste war, als ein Blinder zum ersten Mal auf dem Pferd war", erinnert sie sich und sagt: "Wir können die Leute aus einem Loch holen und das zählt." Dr. Jaron lebt für ihre Reitgruppe, das bestätigt auch der 1. Vorsitzende Ralf Reuvers: "Ohne Vera würde das Ding hier nicht mehr laufen." Neben ihrer Tätigkeit engagiert sich die Chirurgin auch im Behindertensportverband Niedersachsen, berät dort Kranke in medizinischen Dingen. "Es ist eine tolle Arbeit, jede einzelne Stunde genieße ich", sagt sie zum Abschluss und zwinkert Hannes zu.